Obergefreiter im Panoptikum
Ich war einmal in der Bundeswehr. Was ich mir als spannende Zeit mit neuen Herausforderungen erhoffte (der Einplaner meinte, ich könne an mobilen Servern auf einem Gefechtsstand Dinge tun), war am Ende eine weniger spannende Zeit, geprägt von Bürotätigkeiten.
Was an sich nicht so schlimm klingt, im Büro sitzen, E-Mails schreiben, etc. wäre auch im weitesten Sinne annehmbar gewesen, hätte man mir auch tatsächlich für 41h die Woche Arbeit gegeben. Gab es nicht. Eine temporäre PKI-Karte, die nötig war, um überhaupt am Rechner zu sein: Gab es nicht.
Ich, mich für schlau haltend und entschlossen, meine Zeit zu nutzen, fing also am, am Handy Schach zu spielen - Was man halt so macht. Jeder, der in diesem Verein war, kann sich vorstellen, wie lange das gut ging. Nach ca. 3h bat mich mein Vorgesetzter, mein Handy weg zu packen, da ich aussehen müsste, als sei ich schrecklich beschäftigt. Jeder gute Obergefreite hätte “Jawohl, Herr Hauptfeldwebel” geantwortet und sich für seine Stundenlangen Handyexzesse auf die Toilette verzogen. Ich entschied mich stattdessen dazu, zu Lesen, was auch eine sinnvollere Nutzung meiner Zeit war. Das Lesen kam auch besser bei meinem Vorgesetzten an, der mir empfahl, mich zumindest nicht von irgendwelchen Dienstgraden “erwischen” zu lassen, denn in unserer Kaserne lief viel Eichenlaub herum, Menschen, die sich selbst für unglaublich wichtig halten. In der Zeit hörte ich auch eine Zusammenfassung von Foucaults Werken und schnappte dort das Konzept Panoptikum auf.
Wie sich herausstellte, war das der Primer, den ich brauchte, um meine Lage zu verstehen: Ich bin im Panoptikum. Fast Wortwörtlich. Das Büro, in dem ich saß, war umgeben von Fenstern, jeder, der den Eingang in meiner Nähe nutzte, nahm mich und meine Aktivitäten wahr. Ich verhielt mich die Ganze Zeit so, als würde ich beobachtet, weil ich nie wusste, ob ich nicht doch beobachtet werde. Bei Macht in der Menschenführung der Bundeswehr denkt man vielleicht an die Willensdurchsetzung des cholerischen Stabsunteroffiziers gegen Widerstreben der kleinen Mannschafter, Analog zu Max Webers Machtvorstellung.
Im Fall des Stabsdienstsoldaten ist es wohl eher die Macht, die sich im Mannschafter ablagert wie das Mikroplastik in unseren Körpern, sodass er sich selbst zur Befehlsausübung bewegt, egal wie widersinnig sie sein mögen.
Heutzutage motiviere ich mich selbst zur Arbeit, würde aber auch nicht von meinem Vorgesetztem weggesprengt werden, wenn ich kurz am Handy bin (ich habe auch ein Diensthandy, Hurra!).
Hört nicht auf den Einplaner, zukünftige Kameraden.